Wie entstehen Wut, Aggression oder Trauer?

Starke Gefühle und ihre Herkunft   >>>

Starke Wut ist verbrennend

Wut, Aggression und Trauer gehören zu den starken Gefühlen. Während Aggression eine direkte Folge von Wut ist, gehört die Trauer eigentlich einem ganz anderen Gefühlskreis an. Dennoch gehören diese Gefühle aus einem Grund zusammen:

Wut entsteht häufig aufgrund anderer nicht gefühlter Gefühle, wie z.B. Trauer. Ungebremste Wut hingegen, kann in Aggression ausarten. Die Gefühle können also, müssen aber nicht zusammen auftreten.

Sicher ist nur, dass Wut dann entsteht, wenn man sich nicht gesehen, nicht gehört und in den eigenen Bedürfnissen nicht ernst genommen fühlt. In Momenten also, in denen man frustriert wird, und unangenehme Erlebnisse die Überhand gewinnen.

Wut ist Stress, für Körper und Seele, denn es werden Hormone ausgeschüttet, die uns unter hohe Anspannung setzen, wie Adrenalin, Noradrenalin, Kortisol und das Männlichkeitshormon Testosteron. Je nach unserer Fähigkeit, unsere Gefühle zu regulieren, kann dann aus schierer Wut Aggression folgen, gerade dann, wenn wir uns ungerecht behandelt sehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir tatsächlich ungerecht und schlecht behandelt wurden, oder wir uns nur aufgrund von früheren, schlechten Erfahrungen und Prägungen schlecht behandelt fühlen. Die Wut kocht in jedem Fall hoch. Wut fragt also nicht danach, ob sie berechtigt, oder gar angemessen ist.

Oft fühlen wir Wut, wenn unsere ureigenen Instinkte die Reaktion eines Gegenübers schnuppern, die nicht okay ist. Vielleicht werden wir gerade nieder gemacht, oder lächerlich. Vielleicht sorgt Mobbing für eine große Hilflosigkeit, oder ein Spaß geht gefühlt auf unsere Kosten.

Aggression entsteht aus ungestillter Wut

Einem Fahrstuhl gleich, fühlen wir unsere Wut in uns ansteigen. Es ist, als ob sie sich potenziert, je mehr wir über das Erlebte nachdenken, es an uns ranlassen. Wir finden selbstzerstörerische Gedanken, die die erlebte Situation untermauern. „Du bist nicht gut genug.“, „Klar, dass die anderen nur mit dir so umgehen.“, usw.

Steigert sich die Wut nun unkontrolliert, kann aus ihr schnell eine ungebremste Aggression entspringen. Auch das eine Frage der Vorerfahrungen und Prägungen, sowie des Charakters, und der erlernten Fähigkeit, Wut abzubremsen, zu kanalisieren, oder zu kontrollieren.

Wer nicht gelernt hat, seine Wut in die richtigen Bahnen zu lenken, dem dürfte es schwer fallen, mit der eigenen Wut adäquat umzugehen. In ihm keimt ungehemmte Wut, die nur ein wenig Nährstoff benötigt, um sich in explosiver Aggression ihren Weg zu Bahnen. Es ist tatsächlich wie einem Dampfkessel. Wird keine Luft abgelassen, um den entstandenen Druck zu minimieren, explodiert irgendwann der gesamte Kessel.

Machen wir uns klar, dass Wut oft auf anderen Gefühlen basiert, die wir nicht wahrnehmen wollen, weil wir beispielsweise mit ihr allein gelassen werden. Trauer ist so ein Gefühl. Passiert etwas, was uns traurig stimmt, vielleicht sogar tieftraurig, wie ein verletzender Satz einer Freundin, die genau unser Knöpfchen drückt, dann finden wir häufig kein Verständnis für unsere Kränkung. Oft wollen wir auch nicht zeigen, wie verletzt wir uns fühlen, und gehen unbewusst gleich über das Gefühl der daraus resultierenden Trauer hinweg.

Heftige Trauer will Trost finden

Wir springen in das Gefühl der Wut, welches uns leichter auszudrücken erscheint. Dabei wäre ein Zugeständnis unserer Verletztheit, unserer Trauer möglicherweise genau das, was die Freundin benötigen würde, um sich zu entschuldigen. Da wir aber Erfahrungen haben, die uns geprägt haben, wissen wir, dass es häufig genug eben keinen Trost gibt. Übrig bleibt nur Wut, die keine Heilung erfährt.

Wenn wir also Wut in uns aufkeimen spüren, so ist es gut, uns zu fragen, welches eigentliche Gefühl diese Wut verursacht. So nehmen wir uns selbst ernst, und können dieses Gefühl ausdrücken, statt in die Wut auszuweichen. Aber auch die Energie der Wut kann uns dazu treiben, unserer Verletzung Ausdruck zu verleihen, in dem wir tatsächlich sauer reagieren, ohne aggressiv zu werden.

Also angenommen, jemand hat etwas Beleidigendes zu uns gesagt, so können wir adäquat und wütend reagieren, um unserem Gegenüber zu spiegeln, wie beleidigend das Gesagte ist. Beleidigung erzeugt Wut, die der Situation angemessen ist. Solange wir diese Wut ausdrücken dürfen. werden wir unsere Wutgefühle unter Kontrolle halten können. Hindert uns jedoch jemand, oder etwas daran, adäquat zu reagieren, dann staut sich die Wut unter Umständen auf, und bricht irgendwann in Form von Aggression aus, oder bahnt sich seinen Weg durch passive Aggressivität. Das passiert leicht bei Menschen, die nicht gelernt haben, ihre Wut vernünftig zu zeigen, und denken, dass Wut unerwünscht ist.

Trauer hingegen kann durch völlig andere Gefühle ausgelöst werden. Ich möchte es nur kurz in diesem Rahmen ansprechen. Trauer entsteht häufig durch Verlust. Den Verlust eines geliebten Menschen, eines Tieres oder einer Sache, die einem viel Wert war. Da gesellschaftlich anerkannt, können wir offiziell trauern, wenn wir jemanden verloren haben, ob durch Tod, oder Trennung. Wir dürfen traurig sein, wenn wir unseren Job verlieren, und dann, wenn wir uns mit unserem besten Freund zerstritten haben.

Wird Trauer aber durch Abwertung ausgelöst, durch schlecht behandelt werden, durch verletzt werden, so werden wir schnell abgekanzelt, wenn wir zu unserer Trauer stehen. Was uns bleibt, ist, wütend zu werden, und notfalls aggressiv um uns zu schlagen.

Corona schränkt und engt uns ein. Darum trauern wir.

Ein paar Worte zu Corona

Nie haben wir öffentlich so viel Wut gesehen, wegen der Einschränkungen an persönlicher Freiheit, wie jetzt in der Corona-Pandemie. Viele tausende Menschen demonstrieren lautstark gegen die angebliche Einschränkung der Freiheitsrechte. Dabei schränken nicht die Politiker uns ein, sondern die Gefahren, die von dem Virus ausgehen. Die Politiker versuchen lediglich, zum Schutz aller, diese Gefahren durch geeignete Mittel einzudämmen. Sie sind nicht die Ursache der Einschränkungen, sondern die ausführenden Organe.

Die Menschen, die aggressiv argumentieren, sie würden sich ihrer Freiheit nicht berauben lassen wollen, begreifen nicht, dass das konsequent zu Ende gedacht auch bedeuten würde, die Freiheit zu haben, an Corona zu erkranken,  und/oder zu sterben. Aber ist DAS eine Freiheit? Die Lockdown Maßnahmen dienen dem Schutz von uns allen.

Die unsägliche Wut, die sich im Zusammenhang mit den Lockdown-Maßnahmen äußert, basiert vermutlich auf einer immensen Traurigkeit über diesen viel zu lang anhaltenden Zustand. Eine Trauer, die kein Ventil findet und nicht aufgefangen werden kann, da wir kollektiv betroffen sind. Eine Trauer, die in Wut mündet, und sich so Bahn bricht, wenn auch an der falschen Stelle.

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Hier bloggt für euch Almut Bacmeister-Boukherbata, Psychologische Beraterin & Paarberaterin in eigener Praxis seit 2001. In Hamburg lebend und praktizierend. Bietet seit 2010 auch mobile Beratung im Hamburger Umkreis an. Für alle, die nicht aus Ihrem Einzugsgebiet kommen, bietet sie ebenfalls Telefoncoaching an. Ihre Arbeitsweise ist kreativ und intuitiv, Klientenbezogen. Bekannt unter dem Begriff: "Individuelle Wegbegleitung". Sie schreibt Bücher und betätigt sich künstlerisch.

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