Gendersprache – Ist sie wirklich notwendig?

Eine persönliche Meinung

Ein Ausschnitt von meiner Website: paarberatung-hamburg.de

Natürlich und zweifelsfrei bin ich fürs Gendern, solange dies der Aufklärung dient. Ich habe dafür eigens ein eigenes Genderzeichen entworfen. Ob nun auch weibliche Sprachformen ergänzt werden, oder andere diverse Geschlechter mit angesprochen werden, wichtig erscheint mir, dass sich die Sprache richtig ändert.

Jeder Mensch, und ich meine wirklich jeden Menschen, egal welchen Geschlechts, welcher Hautfarbe, welcher Religionszugehörigkeit, welcher geschlechtlichen Ausrichtung und/oder welcher sexuellen Orientierung, sollte ein Anrecht haben, in seiner Persönlichkeit gesehen zu werden.

Diversitätenblume zeigt ein gewisse Natürlichkeit

Es ist schon lange an der Zeit, dass die Gesellschaft gerade auch Menschen wahrnimmt, die nicht der von ihr erwarteten Norm entsprechen. Menschen, die sich mittlerweile selbst als QUEER bezeichnen. Und obwohl schon viel in den letzten Jahrzehnten geschehen ist, es durchaus positive Entwicklungen gab, begegnen wir immer noch Menschen oder Institutionen, die als homophob und ablehnend bezeichnet werden müssen. Diesen gilt es entgegen zu wirken.

Was ich jedoch wirklich nervig finde, das ist die Gendersprache, die nicht wirklich funktioniert, und für mich dieses Thema nur künstlich betont. Ich wünsche mir Normalität und nicht ein Hervorheben durch beispielsweise sprachliche Hervorhebung.

Allein eine Integration der unterschiedlichsten Menschen mit ihren Bedürfnissen und Ausprägungen durch eine Natürlichkeit im Alltag, würde eine gesellschaftliche Veränderung herbeiführen. Auch Film und Fernsehen können dazu beitragen, unsere Sehgewohnheiten zu verändern.

Aufkleber an der Tür eines Museums in Schweden

Der Wandel kommt durch die Integration, nicht durch die Sprache. Ein Land, wie Schweden, in dem ich mich ja viel aufhalte, macht es vor. Gerade im Fernsehen finden wir seit langem eine Diversität, die in Deutschland gerade erst begonnen hat.

Hier in Schweden ist es natürlich, Menschen unterschiedlicher Herkünfte, unterschiedlicher Figuren, und unterschiedlicher Geisteszustände im normalen laufenden Programm teilhaben zu lassen. Es spiegelt sich eine Normalität.

Und ehrlich, wir heben doch in der Sprache auch nicht die Menschen hervor, die körperlich nicht der breiten Masse zugehörig sind. Dicke Menschen, oder Menschen mit einer Behinderung zum Beispiel. Das, obwohl auch dick- oder behindert sein, das eigene Leben massiv beeinflusst und etwas mit einer Person macht.

Ich will damit sagen, dass alles normal ist, und erst recht die Diversität in allen menschlichen Bereichen uns zu dem macht, was wir sind und sein sollen: Respektvolle und tolerante Menschen.

Fakten schaffen und Realitäten einfach Rechnung tragen, statt über die Sprache Einfluss nehmen zu wollen.

Eine kleine Geschichte

1968 war ich gerade 10 Jahre alt, und mit zwei älteren Brüdern gesegnet, die mitten in den 68igern erwachsen wurden. Bereits mit 14 Jahren engagierte ich mich folgerichtig für die Frauenemanzipation, und nahm nur wenig später aktiv an der Frauenbewegung teil.

Ich wuchs mit dem Gedankengut einer Alice Schwarzer auf, und genoss die Freiheiten, für die die 68er Generation mir bereits den Weg geebnet hatte, und was mir total selbstverständlich schien. In der Frauenbewegung engagierten sich naturgemäß auch viele Lesben, die für ihre eigene Anerkennung kämpften.

Dennoch gab es viele Ungerechtigkeiten und Benachteiligungen von Frauen und Mädchen, gegen die wir uns zu Wehr setzten. Wir waren nicht nur gleichwertig, gleich intelligent und leistungsfähig, sondern verdienten es auch, dass die Männerwelt dies alles endlich würdigen würde.

Ein Herz für alle Menschen aller Ausrichtungen

Wer Fernsehserien, wie Ku’damm 56 und die Folgestaffel Ku’damm 59 kennt, der hat eine ungefähre Vorstellung davon, wie Frauen und Mädchen nur wenige Jahre zuvor behandelt wurden. Anfang der Siebziger gab es also immer noch viele Vorurteile, mit denen es aufzuräumen galt.

Ende der Siebiziger ergriff ich einen Beruf, indem scheinbar Gleichberechtigung herrschte, und auch die Gehälter von Frauen denen von Männer angeglichen waren. Bis zu dem Tag, als folgendes geschah, war ich zufrieden:

Nach 2 Jahren in einer Firma, bekam ich einen neuen Kollegen. Er hatte 5 Jahre Berufserfahrung, ich doppelt so viel. Wir unterhielten uns über unsere Gehälter, und er bekam sage und schreibe 500 DM mehr als ich, obwohl gerade frisch eingestellt. Daraufhin stellte ich meinen Chef zur Rede, wie das denn angehen könne? Dieser erwiderte, dass mein Kollege ein Mann sei, und als solcher seine Frau ernähren müsse.

Allerdings waren die Fakten anders: Ich war nicht nur älter, mit doppelt so langer Berufserfahrung und seit 2 Jahren in dieser Firma, nein, ich musste auch noch eine vierköpfige Familie allein ernähren. Mein Mann war Hausmann, und versorgte unsere beiden Kinder.

Farbe bekennen und Toleranz üben

Der neue Kollege hingegen hatte keine Kinder, seine Frau jedoch war Besitzerin einer gutlaufenden Massagepraxis, mit der sie nach Aussagen meines Kollegen sehr gut verdiente. Mein Chef blieb trotz der Realitäten bei seinem Standpunkt, und mir blieb nur, durch eine Kündigung ein Zeichen zu setzen. Auch damals gab es schon Unbelehrbare und glasklare Benachteiligungen.

Das ist nun 40 Jahre her, und immer noch werden in vielen Firmen unterschiedliche Gehälter bezahlt, je nach dem, ob ein Mann, oder eine Frau die Arbeit erledigt.

Warum mich die Gendersprache nervt…

Ich weiß also, wovon ich spreche. Aber ich habe auch, und gerade in meinen Beratungen feststellen müssen, dass die Frauenemanzipation und die Freiheitsbewegungen in den 68igern nicht nur Gutes mit sich brachten.

Sie hatte Gleichmacherei zur Folge, die die Männer in ihrer Männlichkeit total verunsicherten, und Frauen härter auftreten, und vielfach ihre Weiblichkeit vergessen ließen. Ja, Männer sind nicht intelligenter, als Frauen, und Frauen genauso viel wert, wie die Herren der Schöpfung, aber …

Aber wir fingen auch an zu glauben, dass Männer und Frauen in allem gleich sind. Im Wesen und in ihrer Psychologie. Erst Bücher, wie: „Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus.“, öffneten uns nach und nach die Augen.

Und genau mit diesen Themen setzen sich Paarberater*innen (;-)) tagtäglich auseinander. Versuchen Paaren deren Unterschiedlichkeit erst wieder nahe zu bringen, so es sich um heterosexuelle Paare handelt.

Gendersprache nervt schon allein deswegen, weil sie oft unscharf bleibt, und sprachlich krumm wirkt. Es heißt z.B. Journalist*innen, und ist deswegen falsch, weil Journalist Einzahl ist, Journalistinnen jedoch Mehrzahl. Ärzt(e)*innen wäre korrekt, geht aber gar nicht. Politiker*innen hingegen geht prima.

Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender (lesbisch, schwul, bisexuell und transgender) – Ja, aber nicht in der Sprache

Dennoch nervt dieses Aufpassen müssen, in der heutigen Zeit. Ich habe gerade gelesen, dass es nicht geht, als Weißer Rasterlocken zu tragen, weil das eine ? kulturelle Aneignung sei.

Ich bin aber für Vielfalt und froh über die Einflüsse verschiedene Kulturen auf unsere kleine Gesellschaft. „Weiße Rasterlocken“ waren für mich immer so etwas wie ein Tribut an schwarzafrikanische Kultur. Ein Zeichen der Toleranz  und des Übernehmens bestimmter Werte.

Oh oh, wie würde heute über Janis Joplin geredet, die sich mit ihrer Stimme „schwarz“ anhörte? Aber ich schweife ab…

Es liegt in der Natur der Dinge, wenn ich zu Beziehungs-Themen blogge, dass ich mal von ihm, und mal von ihr spreche, mal von der Partnerin, mal von dem Partner usw. Sprachlich oft kompliziert, so dass ich mich in den meisten Fällen für die frühere männliche Ausdrucksweise entschieden habe, zumal ich deutlich mehr Leserinnen habe, die meinem Blog folgen.

Damit übergehe ich jedoch oft den Fakt, dass es die geschilderten Fälle auch umgekehrt gibt, mit betroffenen Partnern und deren Partnerinnen. Wie weiter oben bereits beschrieben nervt mich dieses gekünstelte der Sprache. Die Achtsamkeit, die ich Sprachformen zuwenden muss, statt verstärkt auf Inhalte zu achten. Nur, wenn ich es für wichtig erachte, benutze ich beide Sprachformen gleichzeitig.

Ich, für mich, habe eine Entscheidung getroffen. So schreibe ich, wie es gerade aus mir heraus fließt. Ich will sprachlich nicht gendern. Zumal ich gelesen habe, dass das sowieso viele Menschen nervt. Also fühle ich mich in guter Gesellschaft, zumal ich sicher bin, dass gendern keinesfalls die Gleichberechtigung voran bringt. Nicht reden also, tun!

Wenn schon, dann vernünftig Sprachgendern

Wenn schon Gendersprache, dann…

Aber zurück zur Gendersprache. Wenn schon Gendersprache, dann doch bitte mit ganz neuen Worten für bestimmte Dinge. So wie die Worte Mensch oder Person völlig neutral sind, niemanden vorziehen, keinen herabwürdigen durch Nichtnennung.  Wie wäre es mit frischen Ausdrücken wie: Journalio, besser als Journaille (wobei ich dieses öfter in der heutigen Zeit denke, man möge mir verzeihen) oder Soldato. Wie klingt Lehro oder Fahro?

Ich meine die Vorschläge natürlich nicht ganz ernst, aber das o könnte sowohl die männliche, als auch die weibliche Form ersetzen, denn gendern, wie bisher, bedeutet, dass wir Frauen immer erst an zweiter Stelle genannt werden.

Aber das ist natürlich nicht so schlimm, denn in öffentlichen Gebäuden, wie Restaurants oder Behörden müssen wir ja auch meist bis zur zweiten Tür gehen, obwohl das weibliche Geschlecht oft viel häufiger auf Toilette muss, als das männliche. Wie oft wünschte ich mir schon, dass die Damentoiletten zuerst kämen, damit die Gerüche aus männlichen Urinalen nicht in mein Riechorgan vordrängen würden.

Wieso geht dagegen eigentlich niemand vor? Die regelmäßige Zweitplatzierung ist doch eine Abwertung, oder?

l

l

l

l

 

The following two tabs change content below.
Hier bloggt für euch Almut Bacmeister-Boukherbata, Psychologische Beraterin & Paarberaterin in eigener Praxis seit 2001. In Hamburg lebend und praktizierend. Bietet seit 2010 auch mobile Beratung im Hamburger Umkreis an. Für alle, die nicht aus Ihrem Einzugsgebiet kommen, bietet sie ebenfalls Telefoncoaching an. Ihre Arbeitsweise ist kreativ und intuitiv, Klientenbezogen. Bekannt unter dem Begriff: "Individuelle Wegbegleitung". Sie schreibt Bücher und betätigt sich künstlerisch.

Neueste Artikel von Almut Bacmeister-Boukherbata (alle ansehen)