Corona gegen Gleichberechtigung – Ein Beitrag zum Weltfrauentag 2021

Die Gleichberechtigung bleibt auf der Strecke

Frau haben aufgeholt

Corona siegt. In vielen Fällen, in zu vielen Fällen. Nicht nur, dass dieses Virus Covid19 uns krank macht, uns sterben lässt, und unsere Wirtschaft kaputt macht, weil wir uns mit Lockdowns wehren müssen, es wirkt auch auf vielen anderen Gebieten siegreich.

Corona ist gegen Bildung, da Kinder im Homeschooling weniger lernen, als in der Gesellschaft Gleichaltriger und eigens für Unterricht ausgebildeter Lehrer, Corona ist gegen Zusammensein, denn wir müssen Abstand halten, um uns nicht zu gefährden. Corona sorgt also auch für Einsamkeit.

Corona schadet uns physisch, sozial, und psychisch, und es schafft sogar, uns Errungenschaften, die wir mittlerweile als selbstverständlich glaubten, zu zerstören. Die Gleichberechtigung gerät ins Wanken, weil ein kleines, überaus gemeines Virus die Vorherrschaft will.

Es war unsere Bundeskanzlerin, Frau Merkel, höchst persönlich, die am Wochenende den bevorstehenden Internationalen Weltfrauentag zum Anlass nahm, auf sogenannte Nebenwirkungen von Corona hinzuweisen. Sie wies nämlich darauf hin, dass die Hauptlast im Homeoffice und Lockdown auf den Frauen laste. Es meist die Frauen seien, die unter der Doppelbelastung des Homeoffice und der durch Corona bedingten, notwendigen Kinderbetreuung leiden würden.

Frau Merkel machte darauf aufmerksam, dass wir, als Gesellschaft aufpassen müssten, wegen Corona nicht wieder in ein geschlechterspezifisches Ungleichgewicht zu stürzen, bei dem alles an den Frauen hängen bliebe, und zusätzlich die Gleichberechtigung auf der Strecke bliebe. Es gibt wohl Untersuchungen, die zeigten, das Grund zur Sorge wäre, wenn, bzw. weil Frauen Corona bedingt wieder in alte Rollenmuster gedrängt würden.

Haushalt und Homeoffice – nur schwer vereinbar

Das rüttelte mich auf. Als ganz junge Frau selbst in der damaligen Frauenbewegung kämpfend, glaubte ich, dass unsere Ziele nun weitestgehend erreicht, und natürlich stabil wären.

Wir waren noch aufgewachsen mit der Heimchen am Herd Vorstellung, die in den 60er, 70er und sogar noch bis in die 80er verbreitet waren.

Sätze, wie; „Du brauchst kein Abi, du heiratest doch sowieso.“, waren genauso verbreitet, wie: „Such‘ dir einen Mann, der dich ernährt.“ Dagegen wehrte ich mich früh, wollte studieren, und auf eigenen Beinen stehen. Prompt arbeite ich in meinem Beruf, während nach der Familiengründung mein Mann daheim blieb, und sich um die Kinder kümmerte.

Meine Stieftochter lebte schon 2 Jahre bei uns, als in der Schule über Rollenbilder gesprochen wurde. Sie war 9, und meinte, Frauen gehörten in die Küche, obwohl sie in der ganzen Zeit umgekehrte Vorbilder erlebt hatte. (Stief-)mama war voll berufstätig, während Papa den Haushalt führte. Das war ein gutes Beispiel dafür, dass sich verfestigte Rollenbilder nicht so leicht ändern, selbst bei Kindern nicht. Ich war völlig schockiert, dass gerade unsere Tochter so dachte.

Wir Frauen, setzten uns ein, für Gleichberechtigung und gleiche Bezahlung. Für die Anerkennung der Frauen im Beruf, und die Tatsache, dass Frauen den Männern in nichts nachstehen, genauso intelligent und leistungsfähig sind. Dafür, dass Frauen in Führungspositionen kommen, und Frauen gesellschaftlich besser anerkannt würden. Es gab so unendlich viele Gründe, sich für die Frauenbewegung und die Durchsetzung unserer Ziele einzusetzen…

Mehrfachbelastungen auf den Schultern von Frauen

Jahrelang war ich stolz darauf gewesen, dass ich in meinem Beruf, ich war in meinem ersten Leben Werbegrafikerin, das Gleiche verdiente, wie meine männlichen Kollegen. Das glaubte ich zumindest. Bis ich eines Tages mit der bitteren Wahrheit konfrontiert wurde. Mein neuer Kollege, gleichalt, aber mit der Hälfte meiner Berufserfahrung, bekam ein Anfangsgehalt von 600 DM mehr als ich. Als ich empört zu meinem konservativem Chef lief, und nach dem Grund für diese Ungerechtigkeit fragte, antworte er mir: Der Kollege sei schließlich ein Mann, und müsse als solcher seine Frau ernähren.

Das stimmte allerdings nicht, weil die Frau meines Kollegen als Selbständige im Gesundheitsbereich richtig gut verdiente, während ich zu diesem Zeitpunkt allein erziehend mit zwei Kindern war, und noch nicht einmal Unterhalt für meine Kinder bekam. Diese Fakten beeinflussten meinen Chef jedoch nicht so, dass er mein Gehalt anhob. Ich verdiente auch weiterhin 600 DM weniger, und verließ daraufhin bald die Werbeagentur. Das war tief in den Achtzigern.

Frauen können erfolgreich sein

Über die Jahre erreichten die Frauenbewegung dennoch eine ganze Menge, die Zeiten änderten sich, wenn auch aus heutiger Sicht einfach nicht genug.

Es ist kein Makel mehr, zum Beispiel unverheiratet zu sein, oder ledig ein Kind zu bekommen. Man darf ungehindert als Paar zusammen leben, oder sogar in einer Wohngemeinschaft, ohne, dass der Vermieter Anstoß daran nahm, wie noch Anfang der 70er,

Frauen machen Karriere, können sich selbst ernähren, und müssen keine ungewollte Abhängigkeit zum Mann mehr eingehen. Die Gesellschaft wandelt sich. Väter nehmen ihre Rolle als Erzieher ernster, und spielen auch in der Familie eine immer wichtigere Rolle. Männer übernehmen mehr Haushaltstätigkeiten, und entlasten ihre Partnerinnen, wenn diese selbst berufstätig sind.

Noch ein Blick zurück: Noch in den 1960ern gab es Frauen, die bereits damals ganztags zum Familieneinkommen hinzu verdienen mussten, an denen aber dennoch der komplette Haushalt und die Kindererziehung hängen blieb. Mehrfachbelastung war damals kein Thema, weil eben die Frau in die Küche und an den Herd gehörte, und allein für die Kinder da zu sein hatte. Da war es nicht so wichtig, wenn SIE nebenbei Vollzeit arbeitete.

Wenn ihr euch alte Fotoalben aus den 50er und 60er Jahren anschaut, dann könnt ihr feststellen, dass es mehrere Standardmotive gibt: Die Frau schiebt den Kinderwagen, die Frau liest den Kindern aus einem Buch vor, der Mann sitzt auf dem Sessel und liest Zeitung oder schaut Sportschau, oder schmückt den Tannenbaum.

Das ist heutzutage Gott sei Dank anders. Frauen erfahren Entlastung in der Kindererziehung, und der Partner unterstützt bei der Alltagsarbeit, so kann sie sich auf ihren Beruf konzentrieren. Geteilte Arbeit bei doppeltem Verdienst.

Immer präsent: Die Hausarbeit

Nun scheint Corona an der Uhr zu drehen, und indirekt dafür zu sorgen, dass die Menschen in alte Rollenbilder verfallen. Frauen leisten wieder die Hauptarbeit. Müssen ihrem Beruf in Homeoffice nachkommen, und zeitgleich aufgrund von Lockdowns die Kinder und den Haushalt versorgen. Hinzu kommt zunehmende häusliche Gewalt, durch zu enges aufeinander hocken, und Aggressionen, die durch die Kontaktbeschränkungen nach außen auch noch zu nehmen

Die Mehrfachbelastung sorgt dafür, dass die Frauen kaum Zeit für die eigene Erholung finden, zum Durchatmen. Aber wieso eigentlich? Machen Männer weniger Homeoffice, oder nehmen sie ihre Arbeit wichtiger? Fakt bleibt, dass die Kinder daheim versorgt werden müssen, und dies dann doch immer ein Privileg der Frauen war.

Es ist erneut an der Zeit genauer hinzuschauen und darauf zu achten: Warum leiden in ersten Linie Frauen darunter, wenn Kinder daheim betreut werden müssen? Warum sind die Frauen die Verlierer der Pandemie? Wieso müssen Frauen unter männlicher Gewalt leiden? Was sind die Gründe dafür, dass Frau nun Rückschritte in Kauf nehmen müssen? Verliert nicht den Blick für die Frauenrechte, weil der Blick zu Corona euch bannt, und versteht mich bitte richtig: Ich bin nicht gegen Lockdowns. Diese müssen zeitweilig sein, auch wenn uns dies nicht passt. Nur dürfen die Frauen nicht die Verlierer der Pandemie sein, und erkämpfte Rechte sich durch die Hintertür hinaus schleichen.

Frauen, setzt euch weiterhin für eure Rechte ein, und schließt euch zusammen. Vernetzt euch, nicht nur medial, sondern im Kampf, um das gleiche Ziel zu erreichen. Mögliche Rückschritte in der Gleichberechtigung wegen Corona nehmt nicht hin, sondern arbeitet an der Bewusstmachung.

Es lohnt sich!

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Hier bloggt für euch Almut Bacmeister-Boukherbata, Psychologische Beraterin & Paarberaterin in eigener Praxis seit 2001. In Hamburg lebend und praktizierend. Bietet seit 2010 auch mobile Beratung im Hamburger Umkreis an. Für alle, die nicht aus Ihrem Einzugsgebiet kommen, bietet sie ebenfalls Telefoncoaching an. Ihre Arbeitsweise ist kreativ und intuitiv, Klientenbezogen. Bekannt unter dem Begriff: "Individuelle Wegbegleitung". Sie schreibt Bücher und betätigt sich künstlerisch.

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