Die Fähigkeit, sich richtig zu entschuldigen

Sich zu entschuldigen ist absolut KEIN Schuldeingeständnis, sondern zeigt Größe

Eine sehr simple Entschuldigung

Vielen Menschen fällt es schwer, sich zu entschuldigen, selbst dann, wenn sie wirklich Grund dazu hätten. Es ist, als ob sie mit der Bitte um Verzeihung gleichzeitig ihre Schuld eingestehen müssten, und sich damit schlecht fühlten.

Dabei könnte gerade das im Einzelfall sogar ganz gut sein, nämlich dann, wenn das eigene Verhalten nicht angemessen war, und die Schuldfrage eindeutig ist.

In diesem Beitrag geht es jedoch darum, das Gegenüber um Verzeihung zu bitten, um zum Beispiel einen Streit zu deeskalieren, bzw. vorzubeugen.

Es gibt ganz unterschiedliche Gründe, warum es sinnvoll sein könnte, sich unaufgefordert zu entschuldigen.

1. Ein Streit mit de/r/m Lebenspartner/in ist entbrannt, bei dem Worte gefallen sind, die in keine Auseinandersetzung gehören.

2. Im Gespräch hat man sein Gegenüber versehentlich verletzt, denn es zeigte sich tief betroffen.

3. Man ist einem Familienmitglied, eine/r/m guten Freund/in gegenüber einfach ungerecht gewesen, weil man gerade aus anderen Gründen gereizt war.

4. Ein/e Kolleg/e/in reagiert gekränkt, weil man in ihren/seinen Augen etwas Falsches getan hat.

5. Der eigene Ärger hatte nichts mit der Person zu tun, bei der wir uns abreagiert haben.

6. Gravierende Ereignisse, wie Betrug, Vertrauensmissbrauch und folgenschwere Unehrlichkeit geliebten Menschen gegenüber führte zu massiven Auseinandersetzungen.

Einsicht & Reue helfen bei einer Entschuldigung

Natürlich gibt es noch viel mehr Gründe, warum eine Bitte um Verzeihung angebracht sein könnte, ich begnüge mich jedoch mit den oben Genannten.

Grundsätzlich ist eine Entschuldigung ein Verhalten, dass auf Einsicht beruht. Man ist sich also bewusst, dass das Gespräch, ein Verhalten, bzw. eine Handlung nicht optimal waren, und es Momente gab, für die man sich entschuldigen sollte. Vielleicht sieht man auch eigene Fehler ein.

Wichtig ist nun, die Situation, das Geschehene zu reflektieren. Was ist passiert? Wie fühlt sich mein Gegenüber? Wie habe ich mich verhalten, und warum habe ich so gehandelt, Solche und ähnliche Fragen können dabei helfen, zunächst zu analysieren, und dann zu reflektieren, was passiert ist.

Wenn ich nun in der Lage bin, nicht nur die vermeintlichen Fehler meines Gegenübers zu erkennen, sondern mir auch meines eigenen Beitrags bewusst werde, habe ich gute Chancen, meinen Ärger beiseite zu schieben. Es entsteht der Wunsch in mir, mich zu entschuldigen.

Eine großzügige Geste: Die Bitte um Verzeihung

Da ich mich auch, aufgrund meiner emotionalen Intelligenz, ebenfalls in meinen Sparringpartner hinein versetzen kann, dürfte mir mehr als bewusst sein, DASS und warum mein Gegenüber verletzt reagiert. So reift auch der Wunsch nach der Bitte um Verzeihung.

Natürlich kann ich nun einfach „Entschuldigung“ oder „Sorry“ sagen. Dieses Wort, vielleicht auch noch ein wenig rotzig hingesprochen, sorgt allerdings allein vermutlich nicht für eine Entschärfung der Situation.

Im Gegenteil, das Gegenüber gewinnt zusätzlich den Eindruck, dass ich meine Entschuldigung nicht ernst meine. Und so ganz unrichtig ist das ja auch nicht.

Jeder von uns kennt die Situation, wenn z.B. eine Mutter von ihrem pubertären Sohn eine Entschuldigung für dessen ungebührliches Verhalten fordert, und der Sprössling ihr widerwillig ein „Entschuldigung“ entgegen schleudert. Eine Situation, in der eindeutig die Einsicht fehlt.

Häufig ist die Lage nicht so eindeutig

Die eigentliche Kunst ist es, dem Anderen ein Gefühl zu vermitteln, dass ich es ernst meine, und bereue, was vorgefallen ist.

Ich muss versuchen, meine Einsicht darzulegen, die vorherige Situation zu spiegeln, und meinen eigenen negativen Beitrag zu benennen, ohne dabei die Anteile meines  Streitgegners aufzuführen. Letztere sollte er für sich selbst durch eine Selbstreflexion erkennen. Diese Form der Entschuldigung ist bereits die Königsdisziplin.

Um die Fähigkeit zu entwickeln, sich derartig reflektiert zu entschuldigen, kann man zunächst einen Zwischenschritt vornehmen.

Ich entschuldige mich dafür, dass ich den anderen so verletzt habe. In diesem Fall geht es nicht darum, wer sich bei wem, und warum entschuldigen muss, wer also vordergründig im Unrecht ist.

Vielmehr geht es darum, anzuerkennen, dass man den Anderen verletzt hat, obwohl man ihm nicht weh tun wollte. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, ist eine Bitte um Verzeihung gut und notwendig.

Es geht nicht darum, wer am Streit schuldiger ist, nicht darum, wer angefangen hat, nicht darum, wer noch eine Schüppe obendrauf geschüttet hat, oder wer gemeiner war.

In diesem Fall geht es um den Wunsch nach Nähe, den Wunsch einen entgleisten Kontakt wieder auf die richtigen Gleise zu bringen. So teilt man dem Gegenüber mit: Du bist mir wichtig. Deine Verletzung ist mir keineswegs egal. Ich will dir nicht weh tun, im Gegenteil  ich bereue, dass es soweit gekommen ist.

Dazu braucht es nicht vieler Worte: „Verzeih‘ mir bitte, dass ich dir weh getan habe.“, reicht schon. Wenn das ernst gemeint ist, und von Herzen kommt, dann ist das spürbar. Das nimmt ein wenig den Schmerz, die Verzweiflung.

Eine Entschuldigung sollte von Herzen kommen

Wichtig ist nur, dass dieser Satz nicht zur Floskel verkommt. Er kann unterfüllt werden mit ergänzenden Sätzen, wie: „Ich bin zu weit gegangen.“, „Meine Worte waren gemein.“, „Es tut mir leid.“, usw.

Je mehr ergänzende und selbst reflektierende Sätze du findest, desto mehr bist du auf dem Weg zur Königsdisziplin der Entschuldigungsformen, der Form, die zum Beispiel Paare in der Kommunikation und im Streitverhalten weiter bringt.

 

l

l

l

l

 

 

 

 

 

 

 

 

 

The following two tabs change content below.
Hier bloggt für euch Almut Bacmeister-Boukherbata, Psychologische Beraterin & Paarberaterin in eigener Praxis seit 2001. In Hamburg lebend und praktizierend. Bietet seit 2010 auch mobile Beratung im Hamburger Umkreis an. Für alle, die nicht aus Ihrem Einzugsgebiet kommen, bietet sie ebenfalls Telefoncoaching an. Ihre Arbeitsweise ist kreativ und intuitiv, Klientenbezogen. Bekannt unter dem Begriff: "Individuelle Wegbegleitung". Sie schreibt Bücher und betätigt sich künstlerisch.

Neueste Artikel von Almut Bacmeister-Boukherbata (alle ansehen)