Wut – ein starkes Gefühl
Häufig ist Wut ein Ausdruck von Trauer und Kränkung
Dass Wut ein starkes Gefühl ist, liegt auf der Hand. Nicht umsonst sprechen wir von einem Wutausbruch. Dass aber Wut nicht nur für denjenigen ein intensives Gefühl ist, der diese Wut verspürt, sondern auch ein heftiges Gefühl für die Person, über die diese Wut hereinbricht, das machen wir uns weniger häufig klar.
Wie aber kommt es zu einem Wutausbruch? Wie entsteht das Gefühl der Wut überhaupt? Oft beginnt die Situation, in der es zur Wut kommt mit eher harmlosen Gefühlen.
Ein Mensch fühlt sich verletzt. Er erlebt diese Kränkung als aktiven Prozess. Das bedeutet, dass er das Gefühl hat, der andere hätte ihn verletzt. Dieses Gefühl macht traurig.
Normalerweise würde ein Mensch, der gut mit seinen Gefühlen umgehen kann, nun sagen: „Ich fühle mich aus diesem und jenem Grunde verletzt.“ Er würde dies in dem Bewusstsein sagen, dass es sein kann, dass sein Gegenüber ihn nicht absichtlich verletzt hat. Ein Satz wie: „Du hast mich verletzt.“, würde vermutlich zu sofortigem Widerspruch führen, und einen Streit vom Zaun brechen. „Ich habe dich nicht verletzt.“ Folge wäre ein Wortgefecht, das vermutlich zum Streit eskaliert.
Gestritten wird in diesem Fall um den Sachverhalt. Es geht um Schuldzuweisung (DU hast…) und um Verteidigung. Die Gefühle, die damit einher gehen bleiben auf der Strecke.
Die Einsicht aber, dass das Gefühl der Verletzung subjektiv ist, führt zur Selbstoffenbarung (Schulz von Thun): „ICH empfinde das, was du gesagt hast, als Verletzung.“ Die verletzte Person nimmt das Gefühl zu sich und beschuldigt den anderen nicht.
Nun wäre alles gut, wenn das Gegenüber darauf auch adäquat reagieren würde: „Ich wollte dich nicht verletzen. Das tut mir leid, dass dich mein Satz verletzt hat.“
Leider hören viele Menschen auch das „Zu sich nehmen“ als Vorwurf und reagieren alles andere als adäquat. Sie schlagen verbal zurück, geben die Situation der Lächerlichkeit preis usw. Es folgen also weitere dieses Mal aktive Verletzungen.
Hinzu kommt, dass wir aufgrund solcher Erfahrungen häufig derartige Gefühle für uns behalten. Wir äußern unsere Verletzung nicht, um einen Gegenschlag zu vermeiden, oder weil wir Angst haben, lächerlich gemacht zu werden. Vermutlich mussten wir schon in unserer Kindheit erleben, mit unseren Gefühlen nicht ernst genommen zu werden.
Verletzte Gefühle, die aber nicht geäußert werden (können), haben häufig Traurigkeit zur Folge. Einmal, weil die Verletzung möglicherweise sehr schmerzhaft war, und den Gekränkten genau an den empfindlichsten Stellen getroffen hat, zum anderen, weil es traurig macht, mit seinen Gefühlen nicht ernst genommen zu werden. Die Verletzung und daraus folgende Traurigkeit finden weder Verständnis noch Trost.
Dies wiederum hat zur Folge, dass aus diesen Gefühlen Aggression und Wut entsteht. Wer in seinem Kummer nicht gehört wird, in der Tiefe seiner Gefühle kein Verständnis erfährt, der wird unter Umständen wütend! Diese Gefühle sind so intensiv, dass daraus eine Wut entstehen kann, die zerstörerisch ist. Ein Wutausbruch folgt. Ursache: das verletzte und nicht gehörte innere Kind!
Um diesen psychologischen Zusammenhang noch zu verkomplizieren, sind die Fakten oft nicht so leicht zu erkennen, wie ich sie hier darstelle. Leider ist es so, dass wir aufgrund von Erfahrungen und Prägungen oft die Abkürzung zur Wut nehmen. Damit meine ich, dass wir uns gar nicht mehr darüber bewusst werden, dass unsere sofortige Wut eigentlich Verletzung und Trauer zur Ursache hat. Und da wir selbst uns dessen nicht bewusst sind, ist es unser Gegenüber noch weniger. Unser Gegenüber ist dann häufig nur noch das verständnislose Opfer, über das ein allzu heftiger Wutausbruch herein gebrochen ist.
Im Rahmen der Persönlichkeitsentwicklung kannst du dir bewusst machen, DASS und WELCHE Gefühle hinter deiner Wut stecken. Gehe in dich. Sei achtsam, und werde dir deiner Selbst bewusst. Reflektiere dich selbst.
Ein letzter psychologischer Blick auf das starke Gefühl WUT: Mit einer Wutreaktion wirst du dir selbst nicht gerecht und übergehst deine eigentlichen Gefühle genauso, wie deine Umwelt. Du verletzt dich also zusätzlich selbst!
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