NEIN sagen kann man lernen
Es fällt vielen Menschen schwer, NEIN zu sagen. Nein, zu einer Bitte, auch dann, wenn sie sich damit überfordert fühlen… Nein, zu einer weiteren Arbeitsbelastung, obwohl der Berg auf dem eigenen Schreibtisch immer höher wird… Nein, zu der Forderung eines Familienmitglieds es irgendwo hin zu fahren, auch dann, wenn es für diese Person kein Problem darstellt, die Tour allein zu machen.
Dies sind nur einige Beispiele für Situationen, in denen es Menschen mit einem schwachen Selbstbewusstsein kaum gelingt, sich abzugrenzen. Schließlich möchten sie als nett, belastbar, oder familiär da stehen.
DASS dieses Ja-Sagen oft über die eigene Leistungsfähigkeit geht, liegt auf der Hand. Man mutet sich noch mehr zu, als man ohnehin schon leisten muss. Ruht sich nicht aus, damit ein Jugendlicher es bequemer hat usw.
Dabei ist es gar nicht so schwer, das NEIN-Sagen zu lernen, wenn man sich klar macht, warum es einem so schwer fällt, NEIN zu sagen.
Ob man nun besser da stehen, oder ein netter Kerl oder Vater sein möchte, immer sorgt der eigene Selbstwertmangel dafür, nicht zu dem zu stehen, was ist. Sei es Erschöpfung, Überlastung, oder einfach ein NICHT-Wollen. Stattdessen erweckt man den Eindruck, alles mit links zu schaffen, während man innerlich zusammen zuckt, und unter der eigenen Unfähigkeit NEIN zu sagen leidet. Schlimmer noch: Manch einer wird wütend, wegen der Forderungen an ihn, obwohl Klarheit ihn dabei unterstützen würde, Grenzen zu ziehen.
Das allerdings kann man lernen. Eine wirksame Übung schildere ich im Folgenden.
Wenn beispielsweise eine Freundin dich bittet, sie für ihre nächste Party zu unterstützen, dir das aber zu viel wird, dann gehe auf sie ein, teile ihr mit, was du an ihrer Idee gut findest, und lehne ihre Bitte ab. Sollte deine Freundin diese Verneinung ignorieren, und dich zu überzeugen versuchen, dann sage ihr wieder ein paar Worte, die dein Interesse zeigen, bleibe aber bei deinem NEIN.
Zur besseren Illustration der Übung ein Beispieldialog:
Meine Freundin:
„Könntest du bitte für meine Party deinen tollen Nudelsalat machen UND noch ein Tiramisu? Die Partygäste sollen mehr Auswahl bekommen, und nicht selbst etwas zu essen mitzubringen.“
Ich:
„Ich finde deine Idee toll, dass du so viel Auswahl anbieten willst, aber ich kann dich leider nicht unterstützen. Mir wird das zu viel.“
Meine Freundin:
„Aber keiner macht so ein tolles Tiramisu wie du. Und für dich wäre das doch auch eine Chance. Du sagst doch immer, dass sich dein Tiramisu für euch zwei allein nicht lohnt.“
Ich:
„Das finde ich total lieb von dir, dass du dabei auch an mich denkst, aber ich kann dich nicht unterstützen. Mir wird das zu viel.“
Meine Freundin:
„Natürlich könnte ich NOCH einen weiteren Nudelsalat machen, und auch einen Nachtisch. Beides kann aber mit deinem Nudelsalat und Tiramisu nicht konkurieren. ich fühle mich damit allein gelassen.“
Ich:
„Es tut mir leid, dass du dich allein gelassen fühlst. Ich kann mir gut vorstellen, dass es für dich allein viel Arbeit ist, aber ich kann dich nicht unterstützen. Mir wird das zu viel.“
So oder so ähnlich könnte ein Dialog aussehen, bei dem du gut einüben kannst, NEIN zu sagen. Der Amerikaner Garner schlug vor, neben der Anerkennung für das Gegenüber roboterhaft die gleichen Worte der Ablehnung zu wiederholen.
Die Wiederholung der Worte schafft Distanz und macht es dir leichter, bei deinem NEIN zu bleiben. Auch sollten diese Wiederholungen deinem Gegenüber KEINE Chance geben, dich immer weiter zu beeinflussen. Du merkst sicherlich schon beim Lesen, dass diese stoische Wiederholung zwar sehr mechanisch ist, aber auch zeigt, dass ich mich nicht von meinem Vorhaben, NEIN zu sagen, abbringen lasse.
Später, wenn dir das NEIN sagen bereits leichter fällt, dann kannst du dich von diesen Wiederholungen lösen. Sie dienen im Übungsstadium nur deiner persönlichen Orientierung. Du kannst dich quasi daran festhalten.
Übrigens: eine Arbeit an deinem Selbstbewusstsein unterstützt die Fähigkeit des NEIN sagens.
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