Leben mit einem Narzissten – Teil 3

Die innere Leere – ein Erklärungsversuch

Leere – wenn du dein Buch nicht selbst füllen kannst…

Über Narzissmus ist mittlerweile viel geschrieben geworden, und auch sonst wird viel darüber diskutiert. Die sozialen Medien bieten sich großartig dafür an.

Eins haben alle Veröffentlichungen gemeinsam: Sie schaffen es nicht, auch nur andeutungsweise das Grauen zu beschreiben, welches ein Mensch erlebt, der mit einer Person, die narzisstische Züge hat, zusammen lebt.

Stattdessen werden wir immer wieder mit Ausdrücken konfrontiert, die m.E. deutlicher „gefüllt“ werden müssten. Ob es Ausdrücke sind, wie „toxische Beziehung“, „Innere Leere“, oder „narzisstische Zufuhr“, oft genug müssen wir nach weiteren Erklärungen dafür suchen.

Das Thema Narzissmus ist so komplex, dass man sich immer nur kleine Aspekte anschauen kann, auf die man näher eingeht. Dennoch haftet allen Beiträgen, – auch meinen -, etwas Oberflächliches an, da diese Unterthemen spezifische Probleme nur anreißen können. Ich möchte mir in diesem Beitrag die „innere Leere“ etwas genauer anschauen.

Ein Narzisst/eine Narzisstin versucht mithilfe eines anderen Menschen, z.B. der Partnerin/des Partners, die eigene innere Leere zu füllen. Allerdings ist nicht jeder Mensch, der sich innerlich leer fühlt, automatisch auch ein Narzisst. Hierzu müssen noch weitere Faktoren zusammen kommen.

Versuchen wir zu verstehen, wie diese innere Leere bei Menschen entstehen kann, und wie sie sich vermutlich anfühlt. Ein kleines bisschen kennen wir ja alle dieses Gefühl, wenn in manchen Zeiten unseres Lebens ein Gefühl in uns vorherrscht, welches sich anfühlt, wie Langeweile und innerlich einsam sein.

Viele Menschen beschreiben die innere Leere als großes schwarzes, alles verschlingendes Loch, als Langeweile, als Mangel, als ein Gefühl, als fehle etwas. Sie fühlen sich allein, niedergedrückt und werden oft von negativen Gedanken geplagt. Es ist, als würden sie von einem großen Hunger gequält, der sich nie stillen lässt, da er ja auf emotionaler Ebene stattfindet.

Aber das Schlimmste scheint zu sein: Dieses Gefühl tritt auch und gerade bei Menschen auf, die scheinbar keinen Grund haben, eine derartige Leere in sich zu fühlen. Bei Menschen, denen es äußerlich gut geht, die ein Dach über dem Kopf haben, und eine Arbeit. Menschen, die einen Partner und vielleicht sogar eine Familie haben. Doch alles um sie herum vermag es nicht, ihnen dieses Gefühl der inneren Leere zu nehmen.

Die Weichen werden früh gestellt

Wie bei anderen prägenden Themen auch, wurden die Weichen schon in frühester Kindheit gestellt. Die Eltern des Kindes versäumten es, dem Kind Selbstbewusstsein bei, bzw. nahe zu bringen. Sie lobten ihr Kind zu wenig, oder aber andauernd, auch dann, wenn das Kind keine eigenständigen Leistungen vollbracht hat.

Ein Kind merkt ganz genau, ob das Lob wirklich angebracht ist. Ein Zuviel, ohne, dass das Kind sich angestrengt hat, führt dazu, dass dieses Kind Anerkennung keinen Glauben schenken kann. Dennoch wird es ebenso, wie ein Kind, welchem die Anerkennung versagt wurde, ewig nach dem anerkannt werden suchen.

Selbstbewusstsein entsteht u.a. dadurch, dass Leistungen anerkannt, und gewürdigt werden. Das kann auch das Lob für den Versuch, etwas gut zu machen, sein, und muss nicht gleich eine besondere Leistung sein. Wichtig für das Kind ist, adäquat gespiegelt zu werden. Nur Lob, egal bei welcher Gelegenheit, ist ebenso schädlich für die Seele eines Kindes, wie andauernde Herabwürdigung.

Leere ist wie ein Tunnel ohne Licht am Ende

Sätze, wie: „Das kannst du sowieso nicht.“, oder „Wie siehst du denn aus?“, und so weiter, würdigen ein Kind herab, wo es Selbstbewusstsein aufbauen sollte. Ein: „Komm‘, versuche es.“, wäre ähnlich hilfreich wie: „Schau‘ mal, sooo steht dir das aber gut…“

Ein Kind, welches keinerlei Anerkennung bekommen hat, hat vermutlich auch nicht gelernt, wie bereichernd es sein kann, zu malen, oder seine Gefühle in Worte zu fassen. Es hat nicht gelernt, wie wundervoll Kreativität ist, und wie beglückend Ideen und deren Umsetzung sein können. Vor allen Dinge hat es nicht gelernt, sich seiner SELBST bewusst zu sein, sich selbst zu spüren, und seine eigene Gefühle wahr und wichtig zu nehmen. Lies‘ zum Thema Wichtigkeit auch: http://psychologica.de/die-eigene-wichtigkeit-erkennen-2/

Ein Kind, dass nicht gelobt wurde, wurde vermutlich auch nicht dazu angehalten, etwas zu leisten, um dafür eine Anerkennung zu erhalten. Eine Urkunde zum Beispiel, oder eine gute Zensur, oder einfach anerkennende und fördernde Worte. Ihm wurde vermutlich auch die so wichtige Anerkennung versagt, für das, was es nun mal war: Ein Kind voller kindlichen Reichtums. Anerkennung für das Wesen und den Charakter, den es mit auf diese Welt gebracht hat.

Mehr noch: dem Kind hat schon früh die ausreichende Zuwendung seiner Eltern gefehlt, und es durfte nicht lernen, wie es sich anfühlt, wichtig zu sein. Ihm wurde oft genug gesagt, was es nicht richtig gemacht hätte, und lernt zu fühlen, es selbst sei nicht richtig, niemals genug. Es lernt, dass es so zu sein habe, wie die Eltern es sich wünschten. Das Kind lernt daraus, dass es nicht ‚es selbst‘ sein darf, mit allen Facetten des eigenen Seins.

Dem Kind fehlte alles, was es so dringend benötigte: die bedingungslose Liebe der Eltern, die Anerkennung seiner Persönlichkeit, die ausreichende Zuwendung, früher Respekt & Achtsamkeit für die eigenen Bedürfnisse. Das bedeutet auch, dass eine gute emotionale Bindung zwischen Eltern und Kind nicht gelungen ist. (Dabei bin ich überzeugt, dass Eltern in der Regel ihr Bestes geben, aber selbst ja bereits Prägungen unterlagen, die ihnen diese tiefe Bindung nicht möglich machten.)

Zurück bleibt ein Kind, welches früh Schaden nimmt.

Frühe, ausreichende Zuwendung, Liebe und ehrliche Anerkennung wirken gegen die innere Leere

Adäquate Anerkennung ist wichtig

Dieses Kind spürt sich selbst kaum. Sehnsüchtig wartet es auf Input von außen, um sich gut zu fühlen. Es hat nicht gelernt, sich selbst gut zu finden, und vor allen Dingen nicht, sich selbst genug zu sein. Die Herabwürdigung, die es möglicherweise erlebt hat, führt dazu, dass dieses Kind sich selbst keinen Wert beimisst, und Probleme bekommt, sich selbst zu lieben. Der Mangel hat sich manifestiert.

Manche Kinder werden erwachsen, und versuchen, diese Gefühle zu kompensieren, indem sie besonders erfolgreich im Beruf sind, um den Mangel an Selbstbewusstsein auszugleichen. Aber trotz ihres Erfolges fehlt es ihnen oft weiterhin an Selbstbewusstsein und der Mangel im Inneren bleibt bestehen.

Andere wiederum strengen sich nicht an, da sie den Glaubenssatz ’nichts zu können‘, verinnerlicht haben. Sie versagen, und/oder leben ihr Leben mehr recht als schlecht. Es ist letztendlich der Charakter eines Menschen, der dafür sorgt, wie man trotz seiner Prägungen & Erfahrungen wird.

Alle diese Menschen suchen ein Leben lang danach, diese Leere zu füllen. Das kann großes Leid bedeuten, jagen sie doch immerzu Dingen und Liebe hinterher, die sie so nicht bekommen können. Denn eigentlich wollen sie nur eins: Von Papa und Mama bedingungslos geliebt werden.

Kein Partner und keine Partnerin kann dieses Bedürfnis jemals stillen. So sind Partnerschaften oft im Vorwege zum Scheitern verurteilt. Immer wieder brauchen sie aber Bestätigung und Input von außen.

Hier schließt sich der Kreis zum Narzissten. Auch er benötigt Input, bzw. Zufuhr, um sich selbst zu spüren. Er fordert und erwartet oft unbewusst, permanente Anerkennung für die geringsten seiner Tätigkeiten. Er benötigt Respekt und Achtung in noch höherem Maße als die Menschen, die nicht narzisstisch sind.

Gleichzeitig verweigert er jedoch seinem Gegenüber eine ähnliche Behandlung. Wertet schnell mal ab, was der andere für ihn tut, oder leistet, denn dieses Verhalten kennt er ja von den eigenen Eltern. Auch wenn die Partnerin oder der Partner beruflich oder privat Erfolge zu verbuchen hat, würdigt er diese nicht. Er will bekommen, aber nicht geben. Seine eigenen Leistungen sind immer und ewig mehr wert, als die anderer und diese sollen von der Umgebung ausgiebig, in Form von Lob und Anerkennung gefeiert werden.

Es ist, als vereinige er seine eigene Rolle, desjenigen, der Anerkennung & Aufmerksamkeit bekommen sollte, und die Rolle der Eltern, der ewig Kontrollierenden, Abwertenden, in einer Person. Er ist zugleich der Bedürftige, aber nicht etwa der Gebende, sondern der Verweigernde.

ER verweigert das, was er selbst so dringend benötigt: Liebe. Aber die Leere bleibt.

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Hier bloggt für euch Almut Bacmeister-Boukherbata, Psychologische Beraterin & Paarberaterin in eigener Praxis seit 2001. In Hamburg lebend und praktizierend. Bietet seit 2010 auch mobile Beratung im Hamburger Umkreis an. Für alle, die nicht aus Ihrem Einzugsgebiet kommen, bietet sie ebenfalls Telefoncoaching an. Ihre Arbeitsweise ist kreativ und intuitiv, Klientenbezogen. Bekannt unter dem Begriff: "Individuelle Wegbegleitung". Sie schreibt Bücher und betätigt sich künstlerisch.

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