Die vier Seiten einer Nachricht
Friedemann Schulz von Thun und sein Kommunikationsmodell
Der Psychologe und Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun, der u.a. auch an der Universität Hamburg Psychologie lehrte, wurde einer breiten Öffentlichkeit durch seine Bücher über Kommunikation bekannt. Titel: „Miteinander reden“ siehe Lesetipps
Er ging davon aus, dass bei jeder Nachricht 4 unterschiedliche Seiten des Senders mitschwingen. Die gleichen Seiten der Nachrichten spielen beim Empfänger eine Rolle.
So ist eine Nachricht nicht nur eine Nachricht, die beim Empfänger so ankommt, wie sie vom Sender gesendet wurde. Sie enthält vielmehr eine Anzahl unterschiedlichster Informationen, die mitschwingen und von Schulz von Thun als die vier Seiten einer Nachricht bezeichnet werden.
Um zu verdeutlichen, wie kompliziert Kommunikation ist, entwickelte er sein Kommuni-
kationsmodell, mit dem er dieser Erkenntnis Rechnung trug.
Eine Nachricht enthält nach diesem Modell eine Sachinformation, die hier als Sachinhalt dargestellt ist. Sie enthält weiterhin eine Botschaft, die eine indirekte Aussage über die Beziehung ist. Weiterhin enthält sie nach Friedemann Schulz von Thun eine Andeutung, die als Selbstoffenbarung bezeichnet wird, sowie darüber hinaus eine indirekte Aufforderung an den Empfänger, die im Modell die Bezeichnung Appell erhält.
Ein Beispiel für die vier Seiten einer Nachricht
Die Person A, hier als Sender bezeichnet, äußert folgenden Satz: „Denk bitte daran, Schatz, Klaus und Bärbel kommen bereits um 19h“
Die Aussage könnte auf der
Sachebene: „Klaus und Bärbel kommen um 19h, also früher als ursprünglich abgesprochen.“
Beziehungsebene: „Ich vermute, dass du hast es mal wieder vergessen hast und ich dich daran erinnern muss.“
Selbstoffenbarung: „Ich wäre gern pünktlich fertig.“
Appell: „Bitte beeile dich und sei auch pünktlich.“
sein.
Soweit der Sender. Aber auch beim Empfänger schwingen diese vier Seiten mit. Person B könnte also folgendes verstehen:
Sachebene: „Klaus und Bärbel kommen um 19h, also eher, als ursprünglich angenommen.“
Beziehungsebene: „Person A glaubt wieder, mich ermahnen zu müssen. Vermutlich hält sie mich für unzuverlässig.“
Selbstoffenbarung: „Person A glaubt alles besser zu wissen.“
Appell: „Vermutlich will Person A mich wieder unter Druck setzen.“
Wenn man sich nun vorstellt, dass jeder Sender bei einer einzigen Nachricht, diese vier Seiten nach Schulz von Thun mit seinen ganz eigenen Gedanken füllt, und jeder Empfänger genau das diesen Seiten zuordnet, was er in die Nachricht hinein interpretiert und seine vorherigen Erfahrungen ihn annehmen lassen, merken wir: Kommunikation ist kompliziert.
So kompliziert, dass wir uns mit diesen Themen auseinander setzen müssen, um besser kommunizieren zu lernen. Das Bewusstsein darüber, dass sowohl Sender als Empfänger augenscheinlich „harmlose“ Sätze mit einer ganzen Reihe an Seiten, nämlich Nebenbotschaften füllen, hilft uns, leichter zu verstehen, wieso es in Gesprächen so häufig zu Missverständnissen, bzw. sogar Streitigkeiten kommt.
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