Wenn Freundschaft nur noch aus Ansprüchen besteht
- Freunde wechseln wie Turnschuhe
Dass wir heute in einer Wegwerfgesellschaft leben, ist uns allen hinlänglich bekannt. Dass wir aber immer mehr auch mit Menschen so umgehen, als wären sie jederzeit entsorgbar, bzw. austauschbar, das wird allmählich erst zu einem Problem.
Freundschaft ist ein hohes Gut, welches in unserer Gesellschaft leider immer mehr verloren geht. Dazu tragen eine andere, neue Art des Kontaktes ebenso bei, wie überhöhte Ansprüche.
Die sozialen Medien, wie Facebook oder auch Whatsapp ermöglichen eine Form des Kontaktes, der es nicht mehr notwendig macht, sich persönlich zu begegnen. Dennoch kann man sich jederzeit mit Anderen austauschen. Das vermittelt ein Gefühl, niemals wirklich allein zu sein. Denn ähnlich wie anno dazumal in einer Großfamilie, oder in einer Wohngemeinschaft, lässt sich immer ein Ansprechpartner finden.
Oberflächlichkeit ist schon durch die Art des Kontaktes vorbestimmt. Bei Facebook & Co. kann jeder mitlesen, wenn man nicht gerade den Messenger benutzt. Ebenso bei Whatsapp-Gruppen, die sich immer größerer Beliebtheit erfreuen.
Da die meisten von uns auf einem hohen finanziell-sozialem Niveau leben, im Vergleich zu vielen anderen Ländern, und nicht wirklich unmittelbar in Not sind, fällt es uns leicht, über andere Dinge zu jammern. Freundschaft bietet sich da an.
In Zeiten, als es uns finanziell und sozial schlechter ging, waren Freundschaften oft das Einzige, was wir hatten. Nun aber hat sich das Blatt gewendet. Das Internet macht es möglich, schnell mit Fremden in Kontakt zu kommen. Das macht uns deutlich intoleranter, glauben wir doch, auf unsere Freunde nicht angewiesen zu sein. Ein ähnliches Phänomen lässt sich seit einigen Jahren bei der Partnersuche erkennen. Ein Mensch lässt sich scheinbar schnell austauschen.
Also stellen wir hohe Ansprüche an unsere Freundschaften. Dabei kann auch ein guter Freund, oder eine gute Freundin uns genauso wenig alles bieten, wie ein/e Lebenspartner/in. Dennoch erwarten wir auch in Freundschaften die Erfüllung unserer Erwartungen und Wünsche. Unsere Freunde sollen perfekt zu uns passen. Fehler sollten sie tunlichst nicht haben. Im Gegenteil: Wir wünschen uns von Freunden häufig etwas, was wir selbst nicht bieten. Eine durch und durch positive Lebenseinstellung zum Beispiel.
Probleme mögen sie doch bitte mit sich selbst ausmachen, und uns damit nicht belästigen. Melden dürfen sie sich, wenn sie gut drauf sind. Ansonsten wenden wir uns ganz schnell ab. Schließlich wollen wir uns nicht herunterziehen lassen. Wir sind halt nicht belastbar. Dafür um so egoistischer.
Denn wenn die Freundschaft nicht so läuft, wie erwünscht, dann geben wir sie auf. Schnell, ohne lange zu fackeln. Schließlich wartet der neue Freund, die neue Freundin schon bereit, sich mit uns zu befreunden. Toleranz ist ein Lippenbekenntnis.
Toleranz in einer Freundschaft = Fehlanzeige. Wir wollen alle nur noch hipp, modern und gut drauf sein. Zu jemandem zu halten, auch wenn es diesem einmal schlecht geht, dass ist nicht mehr das, was wir uns wünschen. Verlässlichkeit, Beständigkeit, Hilfsbereitschaft und und und sind Attribute, bzw. Tugenden, auf die niemand mehr so recht wert legt. Das ICH zählt.
Also wechseln wir Freunde wie Turnschuhe. Einfach ablegen, wechseln, und notfalls neu kaufen.
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