Regen im Winter-Wonder-Land
Leben im Winter-Wonder-Land
Wer mich kennt, und ein wenig mein Leben verfolgt, der weiß, dass ich mich sehr oft in Nordschweden aufhalte. Dort wohnen wir nur 100km vom nördlichen Polarkreis entfernt. Hier bei uns im Norden herrscht normalerweise eisiger Winter um diese Zeit.
Von ca. Ende Oktober zum Teil bis in den Mai hinein liegt Schnee. Hoher Schnee. Die Natur steht scheinbar still, bis sie im Mai mit Urgewalt hervor bricht, wenn die Tage bereits wieder lang und hell sind. Noch aber befinden wir uns im Januar, dem normalerweise kältesten Monat des Jahres. Üblicherweise erleben wir hin und wieder im Januar und Februar Minustemperaturen von mehr als 30 Grad.
Da gefriert schon mal die Atemluft an Haaren und Wimpern. Es ist weiß rundherum, und oft sehen auch die Bäume wie gefrostet aus. Es ist eine Schneelandschaft, wie aus dem Bilderbuch. Winter-Wonder-Land eben, und ein Traum in weiß.
Hinzu kommt oft gutes Wetter, dass in einer Winterlandschaft noch strahlender wirkt. Aber auch an trüben Tagen wirkt der Tag heller, als in unserer Geburtsstadt Hamburg. Einfach, weil die weiße Pracht das karge Winterlicht reflektiert. Winter hier, und Winter dort ist nun einmal nicht zu vergleichen.
Die Kälte hier ist trocken, und dadurch besser aushaltbar, als die Winterkälte in Hamburg, die durch ihre Feuchtigkeit in jede Kleidung kriecht. Wenn wir in früheren Jahren Ende Januar zurück nach Hamburg kehrten, fingen wir dort an, zu frieren, obwohl die Temperatur meist nicht mehr unter Null fiel. Es dauerte immer einige Tage, bis wir uns wieder an die Hamburger Kälte gewöhnten.
Hier, im hohen Norden von Schweden, in Schwedisch-Lappland, erleb(t)en wir also Traumwinter, und entkommen so nicht nur den übertriebenen Festlichkeiten, dem Weihnachtsstress, sondern eben auch der dunklen Kälte der Großstadt. Wer einmal wirklich Winterurlaub gemacht hat, und dabei Schnee über Schnee erlebt hat, weiß sicherlich, wovon ich spreche.
Aber das Wetter verändert sich. Bereits im normalerweise milderen Dezember erlebten wir im gerade erst vergangenen Jahr Kältespitzen von Minus 33 Grad. Dafür schlug der Januar Wetterkapriolen.
Plusgrade über Wochen
Nicht zum ersten Mal hatten wir bereits jetzt im Januar Plusgrade, und das nicht etwa nur 1 oder 2 Tage lang, sondern über Wochen. Temperaturen, die etwas von einem milden Hamburger Winter hatten, waren gleich tagelang auf den Thermometern abzulesen.
7 Grad macht etwas mit den Schneemassen. Es taut, und taut. Die Massen von Schnee auf unseren Dächern gingen ab, wie Lawinen. Ein Höllenlärm für den, der sich im Haus aufhält. Mit tosendem Gepolter verabschiedet sich der Schnee von den unterschiedlich gewinkelten Dächern. Für den, der draußen steht – eine Gefahr zwar nicht begraben, jedoch eine der heftigen Schneelawinen abzubekommen.
Die teils haushohen Schneeberge, entstanden durch geräumte Straßen und Auffahrten, schmolzen in wenigen Tagen dahin. Natürlich ist es immer noch weiß. Vereinzelt blitzt jedoch grün hindurch, als wären wir bereits im April angekommen, wenn der Winter anfängt, sich langsam zu verabschieden.
Und dann das…
Ich sitze an meinem improvisiertem Schreibtisch, und sehe, wie so oft aus dem Fenster, als ich über der Schneelandschaft einen Regenbogen entdecke. Schnee und Sonne ergeben also auch einen Regenbogen, oder?
Weit gefehlt. Bei einem Blick vor die Tür muss ich feststellen, dass es regnet. Regen im Winter-Wonder-Land, und das im Januar? Ich bin erschüttert.
Was das für die Arktis heißt, mag ich mir kaum ausmalen. Bereits im letzten Sommer wurden dort die höchsten jemals festgehaltenen Temperaturen gemessen, und nun das. Denn, wenn es hier zu warm ist, dann ist es dort auch nicht wesentlich kälter. Denn auch in den letzten beiden Wintern davor, war es bereits ähnlich und die Eisberge schmelzen bekanntlicherweise rasant.
Der Klimawandel ist überall spürbar.
Während in Griechenland und der Türkei Schneechaos herrscht, schmilzt also der Schnee dort, wo er eigentlich hin gehört. Mich fröstelt. Aber nicht vor Kälte, sondern aus Angst um unsere schöne Welt, die wir nach Leibeskräften in die Katastrophe treiben. Da diskutieren die Politiker noch über Klimaziele, während das Wetter bereits überall auf der Erde Kapriolen schlägt.
Ich bin in Sorge. Und das nicht, weil mein gesamtes Leben noch vor mir liegt, wie bei den jungen Menschen, die endlich für einen Wandel auf die Straße gehen, sondern im Gegenteil, weil ich bereits viele, viele Jahre Nutznießerin dieser wundervollen Erde sein durfte. Dass eine Greta Thunberg nun gerade aus Schweden kommt, wundert mich persönlich nicht.
Ich fühle mich schuldig, auch wenn ich mein Bestes getan habe, um diese Erde zu erhalten. Aber ich gehöre zu der Generation der alternden Politiker, die nicht, seit Jahrzehnten nicht, in die Hufe kommen. Menschen, die langsam und zäh, aber nicht wirklich um unsere Erde ringen. Seit Jahren nehme ich mit eigenen Augen den Anstieg des Meereswasserspiegels wahr, im Urlaub an französischen Küsten, wo Jahr für Jahr die Strände schrumpften.
Ich jedoch lehnte mich besorgt zurück, und dachte: „Wenn ich kleines Rädchen das bemerke, wird die Wissenschaft schon reagieren.“. Pustekuchen. Trotz des Films „Eine unbequeme Wahrheit“ von dem amerikanischen Politiker Al Gore bewegte sich so gut, wie nichts. Nichts, weil das, was sich veränderte im Vergleich zum Tempo des Klimawandels ein NICHTS ist.
Ein Aufwachen begann erst mit Greta, die es verstand, die Massen dafür zu mobilisieren, junge und ältere Menschen weltweit dafür auf die Straße zu bringen. Dennoch passiert zu wenig. Wirklich aufzuwachen, wenn es zu spät ist, bringt nichts mehr.
Die Politik, und nur die kann es, müsste rigide Gesetze verabschieden, um noch zu retten, was noch zu retten ist. Auf unsere Bequemlichkeit zu achten, auf unseren Wohlstand und unser bisher Erreichtes, geht nicht einher mit ernsthaften Schritten.
Wir müssen lernen zu verzichten, und unseren Wohlstand und Luxus nicht als Selbstverständlichkeit anzusehen, sondern als Geschenk, über das wir froh sein dürfen. Einschränkungen dieses Luxus wären dann nicht mehr so schlimm. Denn wer nicht glaubt, ein Anrecht auf dies oder jenes zu haben, der steht Forderungen zum Umweltschutz weniger im Weg.
Einschnitte sollten dort vollzogen werden, wo sie nötig sind. Wir Menschen dürfen nicht weiter mit angezogener Handbremse fahren, sondern müssen voll auf die Bremse steigen. Wer kann das besser umsetzen, als die Politik?
Wir müssen handeln. JETZT!!
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