Der andere Narzisst – Verdeckter Narzissmus
Selbstverliebte Selbstüberschätzung als Zeichen
Wenn du einem Menschen begegnest, der sehr von sich überzeugt zu sein scheint, sich so verhält, als wäre er selbst brillant und der darüber hinaus auch noch eher an sich, als an andere denkt, dann vermutest du möglicherweise zu recht, dass dieser Mensch ein Narzisst ist.
Kommen dann noch andere charakteristische Merkmale hinzu, gewinnst du schnell an Sicherheit, es mit einem waschechten Narzissten zu tun zu haben.
Während noch vor 10, 15 Jahren den wenigsten Menschen Narzissmus als Krankheitsbild wirklich bekannt war, ist mittlerweile so viel über diesen Zustand berichtet worden, dass dies an kaum einem Menschen vorbei gegangen sein kann.
Zumindest dann nicht, wenn man jemals enger mit einem derartigen Menschen zu tun hatte, oder noch zu tun hat. Gerade in Beziehungen kann die Narzisstische Persönlichkeitsstörung einer der beiden Beziehungspartner zu gravierenden Folgen für den gesunden Partner führen.
Dank sei dem Internet, dass jedem von uns den Zugang zu Informationen ermöglicht, und so einer breiten Masse auch spezifischeres Wissen zukommen lässt, wenn man danach sucht. Schließlich leiden die Betroffenen sehr unter dem Verhalten einer Person, die an einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung leidet.
Die Verbreitung der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung scheint sich in der heutigen Zeit immer weiter auszubreiten, auch als eine direkte Folge der vorherrschenden Erziehung.
Während die früheren Generationen Menschen, die gern sich selbst im Spiegel betrachteten, als Narzissten disqualifizierten, und Menschen, die selbstverliebt zu sein schienen, ebenfalls Narzissmus attestierten, weiß man heutzutage viel mehr über die Ausprägungen des Krankheitsbildes Narzisstische Persönlichkeitsstörung, und deren direkte Folgen für Betroffene.
Ebenso sind die Ursachen der Krankheit mittlerweile besser erforscht.
Mögliche Ursachen für die Narzisstische Persönlichkeitsstörung
Oft ist fehlende Wärme in der Ursprungsfamilie eine der Ursachen für die Persönlichkeitsstörung, unter der der Narzisst als Kind vormals gelitten hat. Hinzu kommt die für die heutige Zeit typische materielle Verwöhnung. Ohne eigenes Dazutun, ohne jegliche Anstrengung, bekommt das Kind mehr, als es benötigt, um glücklich zu sein.
Oft wird es über die Maßen für Leistungen anerkannt, die ebenfalls keiner Anstrengung bedurften. Eine realistische Einschätzung der eigenen Leistung wird demnach oft nicht mehr erlernt.
Aber auch eine ungünstige Verknüpfung von Leistung und Anerkennung kann narzisstische Ausprägungen verursachen. Gemeint ist, dass das Kind nur anerkannt wird, wenn es die Leistung erbringt, die von den Eltern gewünscht wird. In diesem Fall erfährt das Kind niemals Anerkennung um seiner Selbst willen, sondern lernt, Anerkennung an Leistung zu koppeln, und sie ausschließlich daraus zu ziehen.
Denn wenn ein Mensch nicht um seiner selbst willen geliebt wird, sondern nur dafür, dass er gewünschte, bzw. erwartete Leistungen erbringt, kann dies dazu führen, dass er sich selbst ebenfalls nur anerkennen kann, wenn er gute Leistungen vollbringt. Eine Selbstüberhöhung kann die Folge sein.
Geliebt werden sollte ein Kind jedoch für das, was es ist, unabhängig davon, ob es die Wunschträume der Eltern erfüllt. Es verdient Anerkennung für das eigene Sein, damit Selbstanerkennung möglich wird. Menschen mit diesem Krankheitsbild fällt es infolgedessen häufig auch schwer, Lob und Anerkennung anzunehmen, überhaupt zu hören, wenn nicht vorher eine Leistung erbracht wurde.
Die Erfahrung mangelnder Grenzen und Zurechtweisungen verstärken zusätzlich die Persönlichkeitsstörung. Ein Kind muss Grenzen erfahren, um zu lernen, auch eigene Grenzen haben zu dürfen. Auch muss es lernen, mit Zurechtweisungen zu leben, um so auch die Grenzen anderer zu erfahren.
Es sollte geleitet werden. Die Eltern sollten in den frühen Jahren die Einschätzung und Einsortierung für die Kleinen übernehmen. Ein Kind, welches beispielsweise in einer Arztpraxis zu laut ist, könnte darum gebeten werden, leiser zu sein, mit dem Hinweis darauf, dass es den anderen Patienten zu laut ist. So erlernt sich auch Empathie.
Verdeckter Narzissmus ist schwieriger zu erkennen
Während es bei der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung Leitsymptome gibt, die auch für Laien gut erkennbar sind, macht der verdeckte Narzissmus gerade Beziehungspartner*innen das Leben schwer, weil diese Form weitaus schwieriger zu erkennen ist.
Der verdeckte, oder, wie ich ihn bezeichne, der andere Narzisst, ist deswegen so schwierig zu erkennen, weil er nicht den klassischen Klischees eines Narzissten entspricht. Ihm fehlen die typische Selbstüberschätzung, das Großtum, usw. Halt alle Anzeichen für einen leicht erkennbaren Narzissten.
Im Gegenteil, oft ist der andere Narzisst eher schüchtern, und scheint sogar zu Depressionen zu neigen. Einen Menschen, wie ihn, würde man niemals der Selbstüberschätzung bezichtigen, obwohl auch er dazu neigt, sich nur um sich selbst zu drehen.
Letzteres verbirgt er jedoch oft genug durch eigens erlernte Empathie, die davon ablenkt, WIE sehr sich diese Person eigentlich um sich selbst dreht.
Obwohl er scheinbar andere Symptome und Ausprägungen hat, als der „normale“ Narzisst, ist er doch nur die zweite Seite der gleichen Medaille. Soll heißen, die narzisstische Persönlichkeitsstörung liegt in beiden Fällen vor, während die äußerlichen Anzeichen und Erkennungsmerkmale variieren.
Der eine Narzisst pflegt seine geschundene Seele, indem er versucht, sein mangelndes Selbstbewusstsein mit einer Selbstüberhöhung zu kompensieren. Er ist gefühlt genial und der Beste, erbringt er doch oft tatsächlich gute bis sehr gute Leistungen und hat meist Führungsqualitäten.
Der andere Narzisst lebt sein mangelndes Selbstbewusstsein, pflegt es, kann möglicherweise schüchtern auftreten und versucht dennoch in der inneren Struktur, beispielsweise der einer Beziehung, zu dominieren. So erschafft er nach außen das Bild eines ruhigen friedfertigen Menschen, den kein Wässerlein trüben kann, ist aber dennoch Narzisst.
Ihm auf die Schliche zu kommen, ist deutlich schwieriger, als bei einem nicht verdeckten Narzissten. Scheinbar widersprüchlich ist sein Verhalten, zumal er häufig zusätzlich passiv-aggressiv auftritt, was die Einordnung zusätzlich erschwert.
Während der eine meint: „Ich kann alles, ich bin besser als andere… etc.“, und sich grandios benimmt, meint der andere: „Ich bin bescheiden, und trete nur selten für mich ein.“ Das hat zur Folge, dass man ihm seine narzisstische Störung erst viel später anmerkt. Dann nämlich, wenn man in einem sehr engen und dauerhaften Kontakt mit ihm ist.
Die Tücke des verdeckten Narzissten
Verdeckte Narzissten wissen innerlich darum, wie toll sie sind, stellen aber nach außen gern ihr Licht unter den Scheffel. Sie spielen die Rolle des braven Jedermanns, der im Inneren ein Superman ist.
Jeder, der diesen Narzissten nur oberflächlich kennt, würde bestätigen, was für ein netter und zurückhaltender Mensch er doch ist.
Die anderen Narzissten sehen sich oft als Opfer. Fühlen sich von ihrer Umwelt verkannt und missverstanden. Denn auch, wenn sie heftig agieren und austeilen, so ist doch der Andere an allem schuld.
Gern verschieben sie also alle Schuld der Welt von sich, meist auf den Beziehungspartner. Wenn also z.B. die Beziehung nicht gut läuft, glauben sie allen Ernstes, dass nur das Gegenüber Schuld daran sei.
Einsicht ist nicht möglich, ebenso wenig, wie Gespräche über Probleme. Ihnen fehlt es an der Fähigkeit zur ehrlichen Selbstreflexion und sie dürfen niemals das Gefühl haben, andere seien besser, als sie selbst.
Da der Erkrankte seinerseits keine Schuldzuweisung ertragen kann, und keinerlei, selbst konstruktiver, Kritik gegenüber offen ist, sind lösungsorientierte Gespräche nicht möglich. Jeder Gesprächsversuch, der vermeintlich Kritik an ihm enthält, wird er gekonnt torpedieren.
Sobald er etwas hört, dass nicht seinem erstklassigem Bild von sich selbst entspricht, unterbricht er, und geht zum vermeintlichen Gegenangriff über. Dies macht er jedoch so clever, dass man ihm meist keine offene verbale Gewalt nachweisen kann.
Im Gegenteil, er reizt sein Gegenüber geschickt bis aufs Blut, verletzt es, u.a. durch Nichtachtung, mangelnden Respekt und Abkanzelung, bis dieses sich nur noch zu wehren weiß, indem es verbal einfach um sich schlägt. „Arschloch“ ist dabei eine verzweifelte, aber gängige Titulierung.
Natürlich besteht der Narzisst im Folgenden darauf, dass er selbst doch gar nichts zum Streit beigetragen, während das Gegenüber mit Schimpfworten nur so um sich geworfen hätte.
Der Narzisst hat dabei viele Kampf-Methoden, um sich immer im Recht fühlen zu können. Notfalls werden Inhalte von Gesagtem verdreht, und bis zu Unkenntlichkeit verbogen. Gesagtes wird aufgrund des mangelnden Selbstbewusstseins falsch aufgenommen, und auch dann als Verletzung gewertet, wenn der Gesprächspartner etwas ganz anderes ausdrücken wollte.
Klären kann man solche Missverständnisse jedoch nicht, weil die Narzisstische Persönlichkeitsstörung nicht zulässt, dass der Narzisst sich geirrt, geschweige denn etwas falsch verstanden haben könnte. Ein: „Das habe ich nicht gesagt, nicht gemeint, und nicht gedacht“, führt maximal zu weiterem Streit. Einen Konsens kann es mit einem Narzissten nicht geben.
Da das Thema inhaltlich noch lange nicht erschöpft ist, es hier jedoch den Rahmen sprengt, werde ich es in unregelmäßigen Zeiträumen zukünftig weiter behandeln.
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