Abgrenzen will gelernt sein …

… oder: Ein Ja-Sager unterwegs!

Manchmal spielt das Leben einem merkwürdig mit. Ich will gerade einen Beitrag über Abgrenzung schreiben, da bekomme ich einen ganz merkwürdigen Anruf, der mich prompt testet, ob ich mich abgrenzen kann. Eine Dame, anscheinend nicht bei Sinnen und unter Verfolgungswahn leidend, ruft mich an, und erzählt mir allerhand wirres Zeug. Meine Frage, worum es ginge, beantwortet sie mit der Fortsetzung ihrer äußerst merkwürdigen Bemerkungen. Da ich weder heraus bekommen kann, wie sie heißt, noch wo sie wohnt, teile ich ihr mit, dass ich einen Termin hätte. (Beitrag schreiben, ich will ihr aber keinen Anlass geben, dazu noch etwas zu sagen.) Ignoranz. Sie redet weiter. Meine Grenzen sind eigentlich von vorn herein überschritten. Zu komisch, wie das Gespräch bereits begann.

Die Dame redet und redet. Meine Zeit drängt, weil ich gleich los muss, und vorher noch mit meinem Beitrag fertig werden will. Auch ein zweiter kläglicher Versuch, auf meinen Termin hinzuweisen, scheitert. Also sage ich folgendes: „Verzeihen Sie mir, aber ich muss jetzt wirklich meinen Termin einhalten. Auf Wiederhören.“, und lege einfach auf. Eine Sache, die ich als völlig unhöflich empfinde. Unhöflich ist es allerdings auch, so massiv über meine Grenzen zu treten. Ich bin immer noch berührt und nachdenklich.

Mangelnde Abgrenzungsfähigkeit ist auf die frühe Kindheit zurück zu führen

Mangelnde Abgrenzungsfähigkeit ist auf die frühe Kindheit zurück zu führen

Ein Mann ist verheiratet, und hat 3 Kinder. Ihm fällt es schwer, Bitten abzulehnen. Schließlich will er geachtet und geliebt werden. Für seine Familie ist das sehr bequem. Sie nutzt seine Unfähigkeit NEIN zu sagen leidlich aus.

Die Kinder lassen sich durch die Gegend kutschieren, und wieder abholen. Wenn sie ins Kino möchten, geht die Familie ins Kino. Popcorn gibt es auf Wunsch obendrauf. Seine Frau lädt ihm immer mehr auf, obwohl er im Beruf schon eine 50 Stunden-Woche hat. Ihm macht das nichts, denn er findet diese Dinge normal. Schließlich muss er etwas dafür leisten, gemocht zu werden. Sich selbst zu erholen, darauf kommt er nicht.

Irgendwann geht die Ehe aber dennoch schief, und die Kinder werden erwachsen. Auch dann geht die Geschichte weiter. Nicht nur die Kinder sind erwachsen geworden, sondern auch der Mann ist gealtert.

Seine Arbeit ist fordernd, denn auch seine Kollegen wissen, dass er nicht NEIN sagen kann. Also fragen sie ihn oft, ob er mal helfen kann, oder eine Arbeit beenden. Er fühlt sich gebraucht, und sagt selbstverständlich JA. Eigentlich braucht er Ruhe, mehr Freizeit und Erholung. Die Kollegen sind häufig viel jünger als er, wollen aber zeitig Feierabend machen. Er aber übernimmt die Arbeiten, die noch zu tun sind. So kommt er spät heim, was seine neue Partnerin wiederum mit Unzufriedenheit quittiert.

Seine Kinder rufen ihn auch immer nur dann an, wenn sie ihn brauchen. Ohne Rücksicht auf sein Wohlbefinden, wird er immer weiter ausgenutzt. Der Mann ist kurz vor dem Zusammenbruch. Das Alter ist nicht spurlos an ihm vorüber gegangen, und tief drinnen merkt er, dass etwas in seinem Leben schief läuft.

Eine erfundene Geschichte, zugegeben, aber deswegen nicht weniger tragisch.

Was aber wäre gewesen, wenn der Mann sich frühzeitig abgegrenzt hätte? Wenn er sich seiner Frau, und auch seinen Kindern als Individuum gezeigt hätte, dass auch Grenzen hat?

Vermutlich wäre folgendes passiert: Der Mann wäre von seiner Ehefrau mehr geachtet worden. Wer bewundert schon einen Ja-Sager? Seine Kinder hätten frühzeitig gelernt, dass man selbst Grenzen haben darf, und auch die Grenzen anderen Menschen respektieren muss. Ob seine Ehe deswegen gehalten hätte? Das können wir nicht wissen, da sicherlich noch andere Dinge mit in die Trennung hinein gespielt hätten. Die Familie hätte sich auf jeden Fall gegenseitig mehr respektiert. Die Kinder hätten ihren Vater geachtet, weil dieser es liebevoll fertig gebracht hätte, auch mal NEIN zu sagen. Weniger geliebt hätten sie ihn deshalb auf keinen Fall, im Gegenteil.

Später, würden die Kinder ihren Vater auch einmal zwischendurch anrufen, und sich nach seinem Befinden erkundigen. Sie würden respektvoll mit ihm umgehen. Sie hätten Interesse an ihm! Das Verhältnis zwischen Vater und Kinder wäre KEINE Einbahnstraße, in der immer der Vater leisten muss, und die Kinder Nutznießer sind.

Auf der Arbeit wäre der Mann beliebt und geachtet. Natürlich wäre er weiterhin hilfsbereit, aber nicht mehr „Everybody’s Darling ist everybody’s Depp“. Er würde seine Kollegen unterstützen, sich aber auch klar abgrenzen, wenn dies nötig ist. So etwas nötigt anderen Menschen Respekt ab. Selbstverständlich wäre der Mann weniger erschöpft und mehr bei sich. All die Jahre schon, hätte er gut auf sich geachtet. Seine neue Beziehung wäre nun wunderbar!

Voìla,   H A P P Y   E N D !

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Hier bloggt für euch Almut Bacmeister-Boukherbata, Psychologische Beraterin & Paarberaterin in eigener Praxis seit 2001. In Hamburg lebend und praktizierend. Bietet seit 2010 auch mobile Beratung im Hamburger Umkreis an. Für alle, die nicht aus Ihrem Einzugsgebiet kommen, bietet sie ebenfalls Telefoncoaching an. Ihre Arbeitsweise ist kreativ und intuitiv, Klientenbezogen. Bekannt unter dem Begriff: "Individuelle Wegbegleitung". Sie schreibt Bücher und betätigt sich künstlerisch.

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